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Die GOT: Widerstand formiert sich sichtbar

Seit dem Inkrafttreten hat sie für Verwunderung und Ärger gesorgt, die neue Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT). Von Bayern bis Schleswig-Holstein und von Sachsen-Anhalt bis Nordrhein-Westfalen steht die Verordnung in der Kritik. Zu Recht? Zu Unrecht? Sowohl, als auch - so könnte man den Eindruck aus einer ersten offenen Veranstaltung in Ahlhorn - initiiert durch einen Kreis rund um Pferdezüchter Jens Thormählen - zusammenfassen.

Ein “großer Wurf” ist die GOT offenbar vor allem auch juristisch nicht, also nicht nur unter dem Gesichtspunkt von steigenden Kosten. In die Kritik geraten sind ja vor allem die Hausbesuchsgebühr wie auch Kostensteigerungen von bis zu 300 Prozent für tierärztliche Leistungen. Der Dachverband für Vollblutzucht und -sport - Deutscher Galopp in Köln - hatte zügig ein Gutachten beim Verdener Sachverständigen und Rechtsanwalt Kai Bemmann beauftragt und das Ergebnis genauso zügig an das Bundeslandwirtschaftsministerium geleitet. Damit war man in Köln klar schneller als bei der FN in Warendorf - in der Sache sind sich die Dachverbände von Sport und Zucht im Prinzip wohl einig. Aus dem Bundesministerium kam auch eine Antwort in Köln an. Nicht ganz erstaunlich, denn der Galopper-Präsident Dr. Michael Vesper gilt als keineswegs schüchtern, er war zudem Grünen-Politiker und einst geschäftsführender Ministerpräsident in NRW und danach DOSB-Generalsekretär.

“Eine Antwort”, die hat sich auch Alexandra Duesmann, derzeit noch Geschäftsführerin der Pferdeland Niedersachsen GmbH (und zudem Verlegerin des Reitsportmagazins) auf ihre präzise formulierte Kritik und die Fragen an das Landwirtschaftsministerium Niedersachsen gewünscht. Bislang (Stand Juni): “Nichts, trotz Nachfragen”, so Duesmann.

Die Initiatoren der Debatte
Die aktuelle Initiative zur Überprüfung der GOT ist privater Natur, dank des Engagements von Jens Thormählen und einer Reihe von Mitstreitern und Mitstreiterinnen. Seit Dezember 2022 wurden akribisch tierärztliche Abrechnungen quer durch die Republik gesammelt, es wurde gerechnet, verglichen und nachgefragt. Tierärzte und -ärztinnen wurden hinzugezogen, Kontakt in die Politik – sprich zu Bundestagsabgeordneten wie Susanne Mittag (SPD) und Albert Stegemann (CDU) – aufgenommen, der Vorsitzende des Clubs Deutscher Springreiter, Jan Wernke, wurde angesprochen und auch die Kontakte zu anderen Tierhaltern geknüpft. Millionen Haushalte in Deutschland gehören zu den Tierhaltern, vom Kaninchen bis zum Pferd – betroffen sind alle von den Veränderungen durch die GOT.

In Ahlhorn hörten auch die Pferdezuchtverbände aus Westfalen, Oldenburg, Hannover und Holstein genau hin, Vertreter von Hengsthaltervereinigungen und Pferdesportverbänden bis in regionale Gruppierungen. Dort “brennen” die Folgen der neuen GOT vielen unter den Nägeln: Walter Kind, Vorsitzender des Bremer Pferdesportverbandes, brachte es auf den Punkt: Die Kostensteigerungen seien sowohl für den ländlichen Turniersport, als auch für Schul- und Vereinsbetriebe der “Anfang vom Ende”. Kosten für den Turniertierarzt, für die Pflichtimpfungen der im Sportbetrieb eingesetzten Pferde – all das sei nicht aufzufangen. Zumal Kinder, Jugendliche und Erwachsene auch ganz ohne Turniersport Spaß mit Pferden haben können – auch wenn das lieber keiner laut sagt.

Recht und Verordnung
Rechtsanwalt Kai Bemmann und seine Kollegin Dr. Anne Schmidt aus Verden – die für Deutscher Galopp das Rechtsgutachten erstellten – erläuterten eindrücklich den Verordnungsprozess, bzw. die ausgemachten handwerklichen Schwächen, sowie die verfassungsmäßigen Grundsätze für das Zustandekommen einer Verordnung wie der GOT. Eine Verordnung regelt die Durchführung von Gesetzen, ist nicht selbst Gesetz. Damit sind indes einige juristische Gebote verbunden und schon dort machten die Juristen einige gravierende Fehler und Schwächen aus. Noch ist kein Rechtsstreit wegen einer nicht bezahlten Tierarztrechnung durch einen Halter anhängig. Was passiert, wenn ein Veterinär gegen einen Tierhalter aus diesem Grund klagt, könnte eine spannende Thematik werden, wie Kai Bemmann unterstrich.

Als Entwurf geisterte die neue GOT seit 2012 in ministerialen Schubladen im damals noch von Julia Klöckner (CDU) geführten Landwirtschaftsministerium herum und wurde nach Beauftragung einer Studie durch das AFC von Klöckner-Nachfolger Cem Özdemir (Bündnis90/ Grüne) in den Fachausschuss geleitet – praktisch unverändert. 25 Stakeholder (Anspruchs- und Interessengruppen) wurden angesprochen, fünf Interessenverbände äußerten sich schriftlich und eine Anhörung – so MdB Albert Stegemann – habe es de facto überhaupt nicht gegeben.

Ungute Situation für Veterinäre
Erstaunlich, allerdings wenig unterhaltsam, muten die Folgen für den Berufsstand der Veterinäre an. Für die Überwachung der Einhaltung der GOT sind die Landestierärtzerkammern zuständig, die – sofern sie zu dem Schluss kommen, dass eine Verordnung rechtswidrig ist – die Anwendung durchaus aussetzen dürften. Das ist bislang nicht passiert. Im Gegenteil – in mehreren Ländern wurde durch die Kammern bereits dazu aufgefordert, Tierärzte zu melden, die nicht haargenau nach der neuen Gebührenordnung abrechnen. Landläufig sagt man “anschwärzen” dazu und das ist bereits passiert. Die Ansichten zur GOT innerhalb des Berufsstandes sind – wenig überraschend – deutlich geteilt. Das unterstrich auch FN-Tierärztin Henrike Lagershausen unumwunden, die gemeinsam mit Bernhard Feßler, Leiter des FN-Hauptstadtbüros und Kontakt in die Politik, nach Ahlhorn gekommen war.
Wer in beste medizinische Betreuung, moderne Diagnoseverfahren und Medizintechnik investiert, muss davon leben können - und zwar auch ohne dauernde Überstunden und Nachtschichten. Qualität und beste Organisation hat ihren Preis. Warum der sich darin ausdrücken sollte, dass z.B. die Hausbesuchsgebühr mehrmals für ein und denselben Hausbesuch für fünf Pferde von fünf verschiedenen Haltern berechnet wird, erschließt sich allerdings nicht wirklich….

Erstes Fazit
Die Diskussion sowohl mit der Politik, als auch mit den zuständigen Ministerien und Landestierärztekammern voran zu treiben, ist nun das Ziel der Initiative, die eine Überprüfung der GOT anstrebt. Dazu ermutigen auch die Bundestagsabgeordneten Susanne Mittag und Albert Stegemann. Kontakte werden auch die anderen Tierhaltungsverbänden und in den Süden Deutschlands geknüpft.

Allein die Pferdewirtschaft ist ein Markt: mit geschätzten 6,7 Milliarden Euro bezifferte eine Ipsos-Studie aus dem Jahr 2019 die Umsätze. Dabei entfallen rund 39 Prozent auf die Pferdehaltung und 61 Prozent auf die Bereiche Einzelhandel und Dienstleistungen. Hinzu kommendeutschlandweit Kleintierhalter/innen von Hamster bis Hund.

Schon am 17. September 2022, also gut zwei Monate vor Inkrafttreten der neuen GOT am 22. November, berichtete die ARD Tagesschau in einem Beitrag über das zunehmende Aufkaufen und die Übernahme von Tierarztpraxen und -Kliniken in Deutschland durch Ketten und Beteiligungen (Anicura, Evidensia u.a.), hinter denen die Konzerne Mars und Nestlé stehen. In welchem Umfang die Tierversicherer ihre Beitragsberechnungen anpassen werden müssen, steht derzeit noch gar nicht fest. Der Markt “Tier” ist ertragreich. Ein Schelm, wer also Schlechtes beim “Shoppingbummel” von Anicura & Co. denkt. Wem der Gedanke kommt, die Lobbyisten dieser Ketten und Konzerne hätten ihre Hausaufgabe - “zu wissen was läuft” - pünktlich erledigt, der irrt sich möglicherweise nicht… M. Brüske/ Foto: Pixabay

Tags: GOT, Gebührenordnung für Tierärzte, Landestierärztekammer

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