Infektionskrankheiten – Was bringt die Herpes-Impflicht?
Warendorf (fn-press). Nach ausführlicher Diskussion der Vor- und Nachteile hat der Beirat Sport die Einführung einer Impfpflicht gegen das Equine Herpesvirus-1 für alle Turnierpferde ab dem 1. Januar 2023 beschlossen. Zuvor war es zu einem massiven Ausbruch der neurologischen Form von EHV-1 auf einem Turnier in Spanien gekommen, in der Folge waren weitere Turniere betroffen. 18 Pferde, darunter fünf deutsche Pferd sind gestorben und der Turniersport kam für vier Wochen in Deutschland zum Erliegen.
„Auch wenn sich der massive EHV-1 Ausbruch in Spanien ereignet hat, wissen wir, dass es ähnliche, allerdings nicht ganz so bekannte Fälle auch jedes Jahr in Deutschland gibt. Die Impfung ist eine Maßnahme, um hier entgegen zu wirken und Risiken zu senken. Denn das Leid der Pferde und die Folgen eines Ausbruchs sind viel massiver im Vergleich zur Impfung”, erklärt FN-Tierärztin Dr. Enrica Zumnorde-Mertens. Mit seiner Entscheidung folgte der Beirat Sport den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet), welche die Herpesimpfung bereits seit vielen Jahren für alle Pferde empfiehlt. Fragen und Antworten zum Equinen Herpes-Virus und zur Impflicht gibt es hier im Überblick:
Was ist das Ziel der Impfpflicht?
Durch die verpflichtende Einführung der Impfung in der LPO wird eine größere Impfdichte sichergestellt. Da auf Turnieren viele Pferde aus unterschiedlichen Beständen aufeinandertreffen, gilt es, diese Pferdegruppe besonders gut durch eine Impfung zu schützen und das Krankheitsübertragungsrisiko zu senken. Das übergeordnete Ziel der Impfpflicht ist es, durch eine konsequente Impfung möglichst vieler Pferde zu einer Reduktion der Menge von zirkulierenden Herpesviren beizutragen, somit Infektionsketten zu unterbrechen und Erkrankungszahlen zu reduzieren. Die Impfpflicht soll damit einen wichtigen Bestandteil der Infektionsprophylaxe bei Turnierpferden bilden.
Wie äußert sich Herpes?
Das Herpesvirus hat bestimmte Eigenschaften. Ein infiziertes Pferd bleibt lebenslang Träger des Virus und so tragen etwa 80 Prozent der Pferde das Virus in sich. Unabhängig vom Ausbruch in Valencia kommt es in den Wintermonaten regelmäßig zu Herpes-Fällen, da das Virus in der Pferdepopulation weit verbreitet ist. In sehr vielen Fällen bricht die Erkrankung mit kaum merklichen Krankheitsanzeichen auf.
Wie genau hilft die Impfung?
Eine Impfung gegen EHV-1 verringert die Virusausscheidung bei infizierten Pferden und kann dadurch das Risiko einer Krankheitsübertragung bei möglichst flächendeckender Impfung im Bestand deutlich senken. Die Krankheitsanzeichen, die Herpes hervorruft, werden durch die Impfung in vielen Fällen abgemildert. Die Impfung kann allerdings den Ausbruch der Erkrankung beim einzelnen Pferd nicht sicher verhindern. Wichtig ist, dass möglichst ganze Bestände geimpft werden, um den Infektionsdruck zu senken. Die Herpes-Impfung wurde auch schon vor der Impfpflicht von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) und der FN empfohlen.
Was bringt eine Impfpflicht für Turnierpferde, wenn die Impfung das einzelne Pferd nicht vor einer Erkrankung schützen kann?
Im Vorfeld der Entscheidung des Beirats Sport wurden viele Argumente diskutiert, die für oder gegen eine Herpes-Impfpflicht sprechen. Eines der Gegenargumente ist, dass die Impfung gegen Herpes das einzelne Pferd, im Vergleich zu den Impfungen gegen Influenza und Tetanus, nicht sicher vor der Infektion mit EHV-1 und dem Ausbruch der hervorgerufenen Krankheiten schützen kann. Der große Vorteil der Impfung ist aber, dass geimpfte Pferde im Falle einer Infektion oder auch im Falle einer Reaktivierung des Virus ohne erkennbare Symptome weniger Viren ausscheiden. Durch die verringerte Virusausscheidung sinkt die Gefahr, dass sich weitere Pferde mit Herpesviren infizieren und es zur Ausbildung von Krankheitsanzeichen kommt. Auch wenn die Impfung vor allem dann vollumfänglich greift, wenn der gesamte Bestand geimpft wird, stellt jedes geimpfte Pferd einen potentiellen Starkausscheider weniger dar. Je mehr Pferde geimpft sind, desto weniger Virus zirkuliert innerhalb der Population. Zudem werden durch die Impfung viele der durch EHV-1 hervorgerufenen Krankheitsanzeichen abgemildert.
Die FN als Sportverband hat Zugriff auf die registrierten Turnierpferde. Durch die verpflichtende Einführung der Impfung in der LPO wird eine größere Impfdichte innerhalb dieser Population sichergestellt. Darüber hinaus wurde in vielen Vorgesprächen mit Reitstallbesitzern, Ausbildern, Züchtern etc. signalisiert, dass – ähnlich wie bei der Influenza-Impfung beobachtet – die Einführung einer Impfpflicht auch außerhalb der Turnierpferdepopulation zu einer größeren Impfbereitschaft führen wird. Bereits die Einführung der Impfpflicht gegen Influenza vor vielen Jahren hatte einen Einfluss auf die Pferde außerhalb des Turniersports.
Wie müssen Turnierpferde geimpft sein?
Für Pferde, die am Turniersport teilnehmen, ist die Impfung gegen EHV-1 ab 2023 Pflicht. Nach der Grundimmunisierung muss die Impfung alle sechs Monate aufgefrischt werden. Das vorgegebene Impfschema für die Grundimmunisierung richtet sich danach, ob ein Lebend- oder Inaktivatimpfstoff verabreicht wird. In Deutschland gibt es derzeit drei zugelassene und verfügbare Herpes-Impfstoffe für Pferde. Dabei handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, bei dem das Virus in abgeschwächter Form vorliegt, und zwei Inaktivatimpfstoffe, sprich Totimpfstoffe, die Viren in inaktivierter Form enthalten. Alle drei zugelassenen und verfügbaren Impfstoffe sind laut StIKo Vet sicher und sinnvoll einzusetzen. Alle drei haben gemeinsam, dass die Impfung nach der Grundimmunisierung regelmäßig aufgefrischt werden muss.
Eine Grundimmunisierung besteht jeweils aus drei Impfungen mit vorgegebenen Mindest- und Maximalabständen. Im Falle der Verwendung eines Lebendimpfstoffes müssen zwischen der ersten und zweiten Impfung der Grundimmunisierung mindestens drei bis maximal vier Monate liegen. Wird ein Inaktivatimpfstoff verwendet, sind zwischen der ersten und zweiten Impfung mindestens 28 bis maximal 42 Tage einzuhalten. Wichtig ist, dass für die ersten beiden Impfungen der Grundimmunisierung der gleiche Impfstoff verwendet wird, sprich beiden Impfungen müssen entweder mit dem Lebendimpfstoff oder einem der Inaktivatimpfstoffe durchgeführt werden. Nach den ersten beiden Impfungen, also ab der dritten Impfung der Grundimmunisierung, ist ein Wechsel zwischen Lebend- und Inaktivatimpfstoff möglich. Die Teilnahme an Turnieren ist bereits 14 Tage nach der zweiten Impfung der Grundimmunisierung möglich. Die dritte Impfung sowie alle weiteren Wiederholungsimpfungen sind in einem Abstand von maximal sechs Monaten plus 21 Tagen zu verabreichen. Turnierstarts sind dann nach sieben Tagen möglich.
Kann man zeitgleich gegen Influenza und Herpes impfen?
Generell ist es möglich, Pferde zeitgleich gegen mehrere Infektionskrankheiten zu impfen. In der Regel vertragen Pferde die zeitgleiche Impfung gut und diese Praxis hat sich bei vielen Pferdehaltern bewährt, da so keine Impfungen vergessen und Tierarzttermine gebündelt werden können. Dennoch muss die Entscheidung, ob ein Pferd mehr als eine Impfung bekommen kann und soll, im Einzelfall und für das individuelle Pferd getroffen werden. Dazu sollte Rücksprache mit dem Tierarzt gehalten werden.
Wie sicher sind Impfstoffe?
Die Hürden zur Zulassung eines Impfstoffes sind sehr hoch. Viele Voruntersuchungen, die über mehrere Jahre angefertigt werden müssen, sind erforderlich. Dabei spielen Daten zur Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit des Impfstoffes eine zentrale Rolle. Der Prozess von der Einreichung bis zur Marktzulassung eines Impfstoffes nimmt durchaus mehrere Jahre in Anspruch. Durch den aufwendigen Zulassungsprozess wird sichergestellt, dass ein zugelassener Impfstoff auch ein sicherer Impfstoff ist.
Welche Nebenwirkungen können auftreten? Was tun bei Nebenwirkungen?
Jede Impfung ist ein medizinischer Eingriff, der nicht immer ohne Nebenwirkungen verläuft. So können Impfungen bei einigen Pferden Symptome wie Schwellungen der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Stefigkeit oder in manchen Fällen Fieber verursachen. Auch wenn die Symptome im Regelfall innerhalb weniger Tage abklingen, rücken sie beim Ausbleiben oder sehr seltenem Auftreten von Infektionskrankheiten in den Vordergrund: Wenn die Impfung funktioniert, tritt die Krankheit nicht oder nur noch selten auf. Die Nebenwirkungen bleiben dagegen bestehen. Dennoch kann man mit einer Impfung sein Pferd vor schwersten Erkrankungen schützen oder eine ganze Population vor einer schlimmen Seuche bewahren. Darüber hinaus sind Tierärztinnen und Tierärzte dazu angehalten, unerwünschte Arzneimittelwirkungen offiziell zu melden. Auch der Pferdebesitzer kann das Auftreten unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim Paul-Ehrlich-Institut melden.
Wichtig ist, dass nur gesunde Pferde geimpft werden dürfen. Stress und Aufregung sollten bei der Impfung vermieden werden. Nach der Impfung sollte man seinem Pferd in den Tagen nach der Impfung Ruhe gönnen und den Gesundheitszustand beobachten. “Normale” Nebenwirkungen nach einer Impfung können Schwellungen der Einstichstelle, Mattigkeit, erhöhte Temperatur und Steifigkeit sein, das klingt nach einigen Tagen wieder ab. Wenn es in seltenen Fällen zu ausgeprägteren Impfnebenwirkungen kommt, sollte der Tierarzt gerufen werden. Er kann verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die akute Impfreaktion abzumildern. Bei schweren Reaktionen entscheidet der Tierarzt beispielsweise über die Gabe eines lindernden Medikaments. Ebenso kann der Tierarzt über verschiedene Vorgehensweisen das Risiko von Reaktionen bei zukünftigen Impfungen senken, also ein Beispiel ist hier die Gabe eines Immunmodulators zu nennen.
Wird es Ausnahmeregelungen zur Impfpflicht geben?
Das übergeordnete Ziel der Impfplicht ist es, durch eine konsequente Impfung möglichst vieler Pferde zu einer Reduktion der Menge von zirkulierenden Herpesviren beizutragen und somit Infektionsketten zu unterbrechen und Erkrankungszahlen zu reduzieren. Die Impfpflicht soll damit einen wichtigen Bestandteil der Infektionsprophylaxe bei unseren Turnierpferden bilden. Turnierpferde sind im besonderen Maße gefährdet, da Turniere oder Veranstaltungen, auf denen Pferde aus verschiedenen Beständen zusammenkommen, der Ausgangspunkt regelrechter Epidemien sein können. Da die Impfung gegen Herpes das einzelne Pferd nicht sicher vor der Erkrankung schützen kann und sich auch geimpfte Pferde bei ungeimpften Pferden anstecken können, ist es umso wichtiger und im Sinne der Chancengleichheit notwendig, dass es keine Ausnahmen von der Impfpflicht gibt. Bei der bereits geltenden Impfpflicht gegen Influenza sind keine Ausnahmen vorhanden. Daher muss ab dem 1. Januar 2023 muss jedes Pferd, das an einem Turnier gem. LPO teilnimmt, gegen Influenza und Herpes (EHV-1) geimpft sein.
Der Beirat Sport hat die Impfpflicht beschlossen. Wer gehört dazu und warum entscheidet der Beirat Sport?
Im Beirat sind Mitglieds- und Anschlussorganisationen der FN vertreten, dazu gehören unter anderem alle Landespferdesportverbände mit ihren Landeskommissionen. Dem Beirat Sport obliegt die Beschlussfassung zur LPO, in der auch die Impfvorgaben für Turnierpferde geregelt sind. Die Entscheidungen im Beirat Sport werden in Form von Mehrheitsbeschlüssen gefasst. Der Beschluss über die Impfpflicht wurde demnach durch alle Mitglieds- und Anschlussorganisationen der FN getroffen.
Gibt es auch bei anderen Verbänden eine Impfpflicht gegen Herpes?
Im deutschen und internationalen Galopprennsport ist die Herpes-Impfung bereits Pflicht, beim Weltreiterverband (FEI) wird die Impfplicht gegen Herpes für internationale Reitturniere zurzeit diskutiert.
Wieso gibt es keine Meldepflicht?
Die Entscheidung darüber, ob eine Tierseuche als meldepflichtig eingestuft wird, trifft das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Die FN hat beim BMEL hinsichtlich einer möglichen Meldepflicht des Herpesvirus beim Pferd angefragt - zuletzt im Nachgang zu dem Herpesausbruch in Valencia im Frühjahr 2021 - und die Antwort erhalten, dass eine Meldepflicht für das Herpesvirus beim Pferd nicht geplant sei.
Bei einer Meldepflicht muss beachtet werden, dass die Einstufung als meldepflichtige Tierseuche praktisch zunächst eher wenig Effekt hat. Es werden zwar Daten über Ausbrüche erhoben, jedoch nicht öffentlich zugänglich gemacht. Zudem werden nur Ausbrüche registriert, die eindeutig diagnostiziert worden sind. Voraussetzung hierfür ist, dass bei erkrankten Tieren überhaupt eine Diagnostik durchgeführt wurde. Eine Meldepflicht führt zudem nicht zur Anordnung einer verpflichtenden Quarantäne für den betroffenen Betrieb.
Wo ist der Unterschied zwischen Anzeige- und Meldepflicht?
Bei anzeigepflichtigen Tierseuchen ist es so, dass sie von Seiten des Staates bekämpft werden. Kommt es zu einem Ausbruch, ergreifen die Veterinärbehörden Bekämpfungsmaßnahmen. Bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten muss jedes Auftreten gemeldet werden. Die Veterinärbehörden haben also eine Übersicht, an welchen Stellen in Deutschland die Infektionskrankheit gerade vorkommt. Bekämpfungsmaßnahmen von Seiten des Staates werden bei der Meldepflicht nicht ergriffen. Foto: pferd-aktuell.de/ Lafrentz