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Interview zum geplanten Verbot des Touchierens am Sprung

Warendorf (fn-press). Ein Jahr lang hat sich eine Expertenkommission der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) mit der Trainingsmethode des Touchierens von Pferden am Sprung beschäftigt und die Methode von allen Seiten beleuchtet. Im Ergebnis hat das FN-Präsidium ein Verbot der Methode auf den Weg gebracht. Im Interview erläutern FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach und FN-Ausbildungsleiter Thies Kaspareit die Hintergründe dieser Entscheidung.

Warum wurde das Touchieren am Sprung vor 30 Jahren erlaubt?
Soenke Lauterbach: Beim Touchieren am Sprung handelt es sich um das Setzen eines taktilen Reizes. Wird es fachgerecht durchgeführt, sprechen wir von einem Sensibilisieren des Pferdes durch gezieltes Berühren der Pferdebeine im Sprungablauf. Damit soll das erfahrene und gut ausgebildete Pferd dazu angeregt werden, seine Aufmerksamkeit und Koordination wieder zu erhöhen. Eine Vertrauensbasis zwischen Reiter und Pferd ist dafür absolute Grundvoraussetzung. 

Wir bekennen uns klar dazu, dass das Touchieren am Sprung seit 30 Jahren in unseren Richtlinien für Reiten und Fahren steht. Schon damals wurde diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen, sondern es wurden Gutachten erstellt, die auf praktischen Erfahrungen aus dem Training von Springpferden und wissenschaftlichen Untersuchungen beruhten. Der damalige Abschlussbericht der Wissenschaftler bestätigte die Auffassung der FN, dass fachgerechtes, gemäß Richtlinien durchgeführtes Touchieren am Sprung nicht tierschutzrelevant ist. All diejenigen, die diese Methode bisher gemäß unserer Richtlinien fachgerecht angewendet haben, haben sich im Rahmen unseres nationalen Regelwerks bewegt.

Wie lautet die Begründung für das nun empfohlene Verbot? 
Thies Kaspareit: Inzwischen sind 30 Jahre vergangen und wir haben festgestellt, dass es selbst Fachleuten oft schwerfällt zu veranschaulichen und zu vermitteln, wo die Grenze des bisher erlaubten, fachgerechten Touchierens am Sprung ist. Für uns steht das Wohl der Pferde an oberster Stelle. Unser über Generationen gereiftes Ausbildungssystem beruht auf der klassischen Reitlehre, die in unseren Richtlinien für Reiten und Fahren beschrieben und von unseren Ausbildern gelehrt wird. Für die handelnden Akteure ist es aber sehr schwierig, das Touchieren am Sprung exakt so durchzuführen, wie es laut Richtlinien gemacht werden soll. Die Möglichkeit, dass beim Touchieren am Sprung Fehler gemacht werden, besteht. Es gibt bei dieser Methode fast keine Fehlertoleranz. Kleine Abweichungen können negative Folgen für das Pferd haben. Eine klare Positionierung gegen das Touchieren am Sprung gibt allen Akteuren eine klare Orientierung und schützt die Pferde.

Die FN lehrt auch andere Ausbildungsmethoden. Kann das Touchieren am Sprung nicht einfach besser erklärt werden?
Thies Kaspareit: Die Sicherheit von Mensch und Tier im Pferdesport ist eines unserer obersten Gebote. Eine fachgerechte Ausbildung ist die Grundlage für Unfallverhütung und Tierwohl. Mit unserem Ausbildungssystem sorgen wir dafür, dass Menschen die Fähigkeiten und Kompetenzen für einen sicheren Umgang mit dem Pferd beim Reiten, Fahren und Voltigieren erlangen. Aufgrund der besonderen Schwierigkeit des Touchierens am Sprung können aber selbst Schulungen oder Lehrgänge keine korrekte Umsetzung in der Praxis garantieren. Indem wir das Touchieren am Sprung verbieten, schützen wir die Pferde vor einer ungewollt falschen Anwendung und alle Akteure vor einem ungewollten Regelverstoß.

Weshalb ist das fachgerechte Touchieren am Sprung so schwierig?
Thies Kaspareit: Es handelt sich bei dieser Methode um einen Vorgang, der in Sekundenbruchteilen durchgeführt werden muss und bei dem die touchierende Person das Pferd erst sehr spät sieht. Man braucht also viel Geschick und Gefühl und muss die Pferd-Reiter-Kombination gut kennen. Es handelt sich hier um Fähigkeiten, die man nicht beibringen kann. Klar davon abzugrenzen ist die Handarbeit in der Dressur, die sehr gut gelehrt und erlernt werden kann und zu der wir uneingeschränkt stehen.

Welche neuen Erkenntnisse haben bei der Entscheidung eine Rolle gespielt?
Soenke Lauterbach: Der Weltreiterverband FEI hat sich klar positioniert und gesagt, dass laut seinem Regelwerk sowohl Barren als auch das Touchieren am Sprung verboten sind. Das heißt, jeder international startende Reiter läuft Gefahr, wegen eines Verstoßes gegen internationale Regeln zur Verantwortung gezogen zu werden, auch wenn das Pferd im Training fachgerecht im Sinne unserer Richtlinien am Sprung touchiert wird. Indem wir das Touchieren am Sprung verbieten, gleichen wir unser nationales Regelwerk an die internationalen Regeln der FEI an.

Spielte die gesellschaftliche Wahrnehmung auch eine Rolle?
Soenke Lauterbach: Auch das war ein Aspekt der Kommissionsarbeit. Als Dachverband für Pferdesport und Pferdezucht stehen wir naturgemäß zur Haltung und Nutzung von Pferden. Es ist unsere Verantwortung, Pferdesport und -zucht in Deutschland zu erhalten, zu gestalten und zu fördern. Deshalb verfassen wir Richtlinien und Regelwerke, kümmern uns um die Ausbildung von Reitern, Fahrern, Voltigierern und Pferden und treten aktiv für den Tierschutz sowie die entsprechende fachgerechte Nutzung von Pferden ein. Dazu gehört auch der Leistungssport mit dem Pferd, für den wir klar stehen. Wir vertreten den Reit-, Fahr- und Voltigiersport sowie die Pferdezucht gegenüber nationalen und internationale Behörden und Organisationen sowie gegenüber der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit, ob pferdenah oder nicht, unterscheidet jedoch nicht zwischen Barren und Touchieren am Sprung und sieht beide Methoden als nicht fair gegenüber dem Pferd an. Die Unterschiede eindeutig verständlich zu machen, ist uns nicht gelungen. Das ist einer der Gründe, weshalb wir uns jetzt vom Touchieren am Sprung verabschieden. Gleichzeitig stehen wir klar zu unserer klassischen Reitlehre, deren Hüter wird sind. Und dazu gehört auch der fachgerechte Einsatz von Ausrüstungsgegenständen wie Sporen und Gerte.

Hat das Verbot auch Auswirkungen auf die Pferdezucht bzw. Zuchtveranstaltungen?
Soenke Lauterbach: Laut Richtlinien für Reiten und Fahren musste bereits in der Vergangenheit vor dem Touchieren am Sprung sichergestellt werden, dass zum Beispiel Durchlässigkeitsmängel des Pferdes, mangelnde koordinative oder konditionelle Fähigkeiten bzw. die Springtechnik des Pferdes nicht Ursache für unsauberes Springen sind. Das Pferd muss sich gleichmäßig und vertrauensvoll zum Sprung reiten lassen. All das kann bei einem jungen Pferd noch gar nicht gegeben sein, deshalb durfte diese Methode nicht bei jungen Pferden angewendet werden. Fotos und Videos von Körungen und Jungpferdeprüfungen dokumentieren aber immer wieder Fälle, in denen Pferde unnatürlich und besonders vorsichtig oder hoch springen, wo sie es gar nicht müssten. Das hätte es nie geben dürfen und das darf es auch nicht mehr geben. Wenn man diese Bilder sieht, dann muss jetzt auch der Letzte verstanden haben, dass umgehender Handlungsbedarf besteht.

Tags: Barren, Touchieren, Thies Kaspareit

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