EM Avenches: Teamsilber für deutsche Vielseitigkeitsreiter
Avenches/SUI (fn-press). Die deutsche Mannschaft hat bei den Vielseitigkeits-Europameisterschaften in Avenches die Silbermedaille gewonnen. Besser als Ingrid Klimke, Michael Jung, Anna Siemer und Andreas Dibowski waren am Ende nur die Briten, die darüber hinaus alle drei Einzelmedaillen für sich verbuchen konnten. Die Bronzemedaille ging an die Mannschaft aus Schweden.
Von der Dressur an war es ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den deutschen und britischen Reitern, das die Briten mit jeder Teilprüfung etwas zu ihren Gunsten verschoben. In dem eher freundlich aufgebauten Springen hätten es schon mehr als zwei Abwürfe mehr auf britischer Seite sein müssen, um dem Team Deutschland noch die Goldmedaille zu retten. Doch diesen Gefallen taten Nicola Wilson, Piggy March und Rosalind Canter ihren deutschen Kollegen nicht, lediglich Kitty King machte einen Fehler. Gerade einmal 73,1 Minuspunkte hatten sie am Ende auf dem Konto. „Wir haben hier keine Goldmedaille verloren, die Briten waren hier wirklich stark. Es war an keinem Tag möglich, sie zu schlagen“, brachte Andreas Dibowski (Döhle) es bei der anschließenden Pressekonferenz auf den Punkt. Nicht ohne sofort in Richtung der Sieger lachend hinzuzufügen: „Aber Ihr könnt euch sicher sein, wir arbeiten daran!“
Andreas Dibowski und seine zwölfjährige Hannoveraner Stute FRH Corrida (v. Contendro I- Espri) waren am Sonntag die ersten gewesen, die für das deutsche Team im Springen an den Start gingen. Nach einer „sensationellen Dressur“, jedoch etwas zu viel Zeitverlust im Gelände, endete die EM für „Dibo“ versöhnlich mit einer souveränen Nullrunde im Springen und auf Platz 22 (40,8 Minuspunkte). Anna Siemers FRH Butts Avondale erwischte dagegen eine Stange. „Ich muss einfach besser reiten“. sagte die Reiterin etwas scherzend, wenn auch selbstkritisch. „Aber es sind unsere zweiten Europameisterschaften, die haben wir wieder gut beendet und das ist doch mega gut für das kleine Pferd.“ Sie beendete die EM auf Platz 17 (37,1).
Ein weiteres Mal Aufraunen ging auch durch die Zuschauermenge, insbesondere der deutschen Fans, als bei Titelverteidigerin Ingrid Klimke und ihrem 17-jähriger Oldenburger SAP Hale Bob OLD (v. Helikon xx – Noble Champion) am drittletzten Sprung die Stange fiel. Die Reitmeisterin aus Münster hatte es in der Hand, mit einer Nullrunde ihren beiden EM-Titeln aus 2017 und 2019 noch eine Silbermedaille in der Einzelwertung hinzuzufügen. Bei dem engen Rennen an der Spitze reichte der eine „Klotz“ allerdings aus, sie auf Rang fünf zurückfallen zu lassen (25,4). „Ich fand er sprang super. Ich bin mit Bobby richtig gut zufrieden“, sagte sie und ergänzte: „Mannschaftssilber ist doch ein Grund sich zu freuen. Und zum Triple hätte es eh nicht gereicht.“
Dafür hätte nämlich die nach Dressur und Gelände führende Britin Nicola Wilson mit ihrem Holsteiner DJ Dublin wenigstens Zeitfehler machen müssen. Das tat sie allerdings nicht. Stattdessen sicherte sie mit einem Endstand von 20,9 Minuspunkten – ihrem Dressurergebnis - ihren ersten EM-Einzeltitel vor ihrer Teamkollegin Piggy March mit Brookfield Innocent (23,3) und der britischen Einzelreiterin Sarah Bullimore mit Corouet (23,6).
Eine Nullrunde war dagegen Michael Jung als drittem Teamreiter mit dem erst neunjährigen Holsteiner fischerWildWave (v. Water Dance xx – Acobat) gelungen. „Walter“, so der Stallname des braunen Holsteiners, und sein 39-jähriger Reiter beendeten damit als drittes und einziges nicht-britisches Paar die EM mit ihrem Dressurergebnis von 23,9 Minuspunkten. Hier rächte sich nun, dass die beiden in der Dressur in der Schritttour bei einem der Richter etwas schlecht weggekommen waren. Gerade einmal vier Zehntel weniger hätten sogar noch für einen Podestplatz ausgereicht. So wurde das Paar Vierter. „Mein Pferd hat alles richtig gemacht, in allen drei Disziplinen. Das war eine ganz tolle Leistung. Ich glaube, da steckt noch einiges drin. Auch Richtung Weltmeisterschaften im nächsten Jahr ist es beruhigend, dass er hier so gut gegangen ist.“ Den Geländekurs hatten die beiden – trotz zweier längerer Alternativen - in der schnellsten Zeit beendet.
Letztes Championat für Bundestrainer Hans Melzer: „Ich bin stolz auf meine Trupppe“
„Man muss das sportlich nehmen, die Briten waren sportlich besser als wir. Das muss man voll anerkennen, aber ich bin sehr stolz auf unsere Truppe. Wir hatten ja, bis auf Ingrid Klimke und SAP Hale Bob OLD nicht unsere Top-Paare hier und sie haben sich toll geschlagen. Anna hat sich ihre erste Mannschaftsmedaille redlich verdient. Für Ingrid Klimke ist es schade, dass es keine Einzelmedaille mehr war. Das hätte Bobby verdient gehabt. Er sprang einen tollen Parcours, aber dann braucht man halt auch das Glück, dass diese eine Stange oben bleibt“, fasste Hans Melzer zusammen. Für ihn war es nach 21 Jahren das letzte Championat, aber nicht das letzte Turnier in seiner Funktion als Bundestrainer, denn noch stehen Events in Boekelo, Strzegom, Pratoni del Vivaro und die WM der jungen Vielseitigkeitspferde in Frankreich an.
Ein Platz in den Top Ten für Einzelreiter Christoph Wahler
Lobende Worte fand Melzer auch für die Einzelreiter, insbesondere den erst 27-jährigen Christoph Wahler (Bad Bevensen), der mit dem zwölfjährigen Holsteiner Carjatan S (v. Clearway – Galant Vert) seine zweiten Europameisterschaften im „Seniorenlager“ auf Platz sieben beendete (26,8). „Ich hätte mir gewünscht, in der Dressur ein, zwei Punkte besser zu sein und zwei Sekunden schneller im Gelände, aber heute im Parcours, das war super“, fasste der Reiter für sich selbst die EM zusammen.
Vielversprechendes Championats-Comeback von Dirk Schrade
Der zweite Einzelreiter, Dirk Schrade, war mit seinem Holsteiner Casino (v. Casillas – Claudio) ials erster der deutschen Reiter ins Springen gestartet. Nach einer Dressur, in der sich der elfjährige Schimmel ungewöhnlich abgelenkt zeigte, und einem frühen Vorbeiläufer im Gelände (Hindernis 4c), schloss der 43-jährige die EM mit einer Nullrunde im Parcours und 74,1 Minuspunkten auf Platz 44 ab. „Das war ein toller Abschluss jetzt, in gewohnter Manier, wie Casino eigentlich so ist, super springend. Ich bin glücklich, er ist gesund und fit, war heute nochmal richtig frisch und hatte Lust zu gehen. Daher konnte ich das Turnier und die Saison mit ihm hier gut beenden“, sagte Schrade.
Mit seiner Meinung über die Veranstaltung in Avenches stand Schrade nicht alleine da: „Für die kurze Vorbereitungszeit wurde hier ein tolles Turnier auf die Beine gestellt. Ein Turnier von Reitern für Reiter. Das merkte man. Wunderschön war, dass es auch noch Zuschauer hatte, die dann gejubelt haben. Das hatten wir ja jetzt auch lange nicht mehr“, so Schrade.
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