Sportentwicklungsbericht Pferdesport 2020
Warendorf (fn-press). Wie steht es um die Pferdesportvereine und Pferdebetriebe in Deutschland? Seit 2009 geht die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) dieser Frage alle paar Jahre auf den Grund. Die jüngste Umfrage fand Anfang 2020 statt, so dass die Antworten bereits von den Anfängen der Corona-Pandemie geprägt sind. Schwerpunkte der Befragung waren die Situation der genutzten Sportanlagen, Bindung und Gewinnung von ehrenamtlich Engagierten in den Pferdesportvereinen sowie speziell die Situation von Vereinen und Betrieben mit Schulpferden und -ponys. Alle Ergebnisse sind wie immer im Sportentwicklungsbericht (SEB) Pferdesport 2020 zusammengefasst.
Eine ausreichende Anzahl von Schulpferden und -ponys ist Voraussetzung dafür, dass Menschen mit dem Pferdesport beginnen und auch ohne eigenes Pferd dieses Hobby ausüben können. Bis Anfang 2020 bieten bundesweit knapp 3.700 Vereine und 2.400 Betriebe die Möglichkeit zur Ausübung des Pferdesports auf Schulpferden bzw. -ponys. In den Vereinen werden dabei rund 30.740 Schulpferde und -ponys und in den Pferdebetrieben rund 32.530 Schulpferden und -ponys eingesetzt.
Jedoch übersteigt die Nachfrage nach Reitstunden seit Jahren das Angebot und führt zu erheblichen Wartelisten. So gibt es in über der Hälfte der Pferdesportvereine und bei rund 45 Prozent der Pferdebetriebe Wartelisten für Pferdesportinteressierte. Im Vergleich zu 2015 ist dieser Wert bei den Vereinen signifikant gestiegen. Interessierte müssen im Mittel außerdem länger auf Reitstunden warten, bei den Vereinen beträgt die Wartezeit durchschnittlich 4,4 Monate und bei den Betrieben 4,3 Monate. „Und dies sind erst die Zahlen zu Beginn der Pandemie. Wie sich der Lockdown im Winter 2020/21 auswirkt, lässt sich final noch nicht absehen“, sagt Thomas Ungruhe, Leiter der Abteilung FN-Vereine, Umwelt, Breitensport und Betriebe.
Dies gilt auch für die Mitgliederstruktur. Laut SEB 2020 ermöglichen Pferdesportvereine und -betriebe über viele Altersgruppen hinweg eine breite Möglichkeit zur Ausübung des Sports. Das zeigt sich in den Vereinen an der sehr heterogenen Mitgliederstruktur, die vom Kleinkind bis zum Senior reicht. So haben 90 Prozent der Vereine Kinder zwischen 7 und 14 Jahren im Verein, 92,7 Prozent zählen Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren zu ihren Mitgliedern und knapp 87 Prozent haben Mitglieder im Seniorenalter über 60 Jahren. Auch bei den Pferdebetrieben haben 86 Prozent Kinder und Jugendliche unter ihren Kunden und nahezu alle verfügen über erwachsene Kundengruppen. Wie in den Vorjahren überwiegt sowohl in den Vereinen und Betrieben der Frauenanteil. In den Altersklassen im Erwachsenenbereich ab 40 Jahren aufwärts nimmt in Pferdesportvereinen der Männeranteil jedoch mit steigendem Alter zu.
Sportvereine sind, auch durch die Gestaltung ihrer Mitgliedsbeiträge, Garanten dafür, dass organisierte Sportangebote von der breiten Bevölkerung nachgefragt werden können. Der Preis für eine Reiteinheit in Pferdesportvereinen beläuft sich 2020 bei der Hälfte der Vereine auf maximal 15 Euro für Kinder und Jugendliche und auf maximal 17 Euro für Erwachsene. In den Pferdebetrieben liegt der Preis bei der Hälfte der Pferdebetriebe für eine Reiteinheit für Kinder bei maximal 18 Euro, für Jugendliche bei maximal 20 Euro und für Erwachsene bei maximal 22 Euro.
Ehrenamtliches Engagement in den Vereinen erfährt große Wertschätzung in der Gesellschaft. Insgesamt engagieren sich die Mitglieder der Pferdesportvereine in ca. 75.540 ehrenamtlichen Positionen, davon in etwa 57.200 ehrenamtlichen Positionen auf Vorstandsebene. Zusätzlich sind circa 363.500 Mitglieder als freiwillige Helfer in Pferdesportvereinen unentgeltlich aktiv (beispielsweise bei Vereinsfesten, Turnieren, Renovierungen, Putzaktionen, gesonderten Arbeitseinsätzen etc.). Dennoch stehen die Pferdesportvereine vor der Herausforderung, geeignete Personen für die verschiedenen Aufgaben zu finden. Das umfasst sowohl die tägliche Arbeit als auch die Durchführung von Turnieren.
Eine weitere wichtige Gemeinwohlaufgabe erfüllt der organisierte Pferdesport auch, indem ein beträchtlicher Teil der Sportanlageninfrastruktur in Deutschland bereitgestellt und instandgehalten wird. Vereine und Betriebe verfügen dabei über sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Das trifft auf die vorhandene Weidefläche zu, die bei Vereinen kleiner ist, aber auch auf die finanziellen Möglichkeiten, die Reitanlage zu sanieren. So hat knapp die Hälfte der Pferdesportvereine (47,5 Prozent bzw. rund 3.480 Vereine) Verbesserungen an ihrer Infrastruktur vorgenommen, bei den Betrieben waren es sogar rund 82 Prozent (knapp 2.940 Betriebe). Dies zeigt, dass die Vereine und Betriebe Wert darauf legen, die Pferdehaltung zu optimieren und weiterzuentwickeln. Vorrangig modernisierten und vergrößerten die Vereine und Betriebe die vorhandenen Einzelboxen. Ein Teil der Vereine und Betriebe, die Sanierungen tätigten, haben außerdem die Pferdehaltung von Einzelboxenhaltung zu Gruppenhaltung umstrukturiert und dabei im Schnitt bis zu sieben neue Gruppenstellplätze geschaffen.
Trotz aller Leistungen des organisierten Pferdesports hatte eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Pferdesportvereinen und -betrieben zum Befragungszeitpunkt im Frühjahr 2020 existentielle Probleme. Bei den Pferdebetrieben sehen 48,6 Prozent bzw. insgesamt rund 1.740 Betriebe in Deutschland mindestens ein existenzbedrohendes Problem. Nach wie vor geben knapp 17 Prozent der Betriebe die möglichen Auswirkungen der Einführung einer Pferdesteuer als existenzbedrohend an, allerdings ist dieser Anteil im Vergleich zu 2015 wie auch bei den Vereinen signifikant rückläufig. Rund 13 Prozent der Betriebe nennen Schwierigkeiten, Stallpersonal zu gewinnen oder zu binden, als Existenzbedrohung und jeder zehnte Betrieb sieht im mangelnden Fachwissen der Kunden sowie in den Auswirkungen der Ganztagsschulen auf die Betriebsabläufe ein existenzielles Problem.
Bei den Vereinen haben bundesweit 50,7 Prozent (rund 3.700 Vereine) mindestens ein ihre Existenz bedrohendes Problem, in erster Linie (15%) ist es die Gewinnung und Bindung von ehrenamtlichen Funktionsträgern. Zu diesem Zweck setzen die Pferdesportvereine vor allem auf die persönliche Ansprache (87 % der Vereine). Darüber hinaus setzen über 60 Prozent auf gesellige Veranstaltungen und motivierende Gespräche. Über die Hälfte der Vereine spricht zudem Eltern reitender Kinder oder Jugendlicher an und knapp 46 Prozent führen Jugendliche gezielt an ein Ehrenamt heran. Eine schriftliche Profilbeschreibung der verschiedenen Positionen, einen Ehrenamts-Koordinator oder gar eine schriftlich verfasste Strategie zur Bindung bzw. Gewinnung von Ehrenamtlichen haben allerdings nur die wenigsten Vereine. „Ein Zusammenhang zwischen solchen Aktivitäten und einer hohen Zahl an ehrenamtlich Tätigen ist allerdings deutlich erkennbar. Es empfiehlt sich daher, darüber nachzudenken“, sagt Thomas Ungruhe.
Zum Sportentwicklungsbericht (SEB) Pferdesport 2020
Für den SEB Pferdesport 2020 wurde wie in den Jahren 2009, 2011, 2013, 2015 das Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule Köln beauftragt. Die Erhebung erfolgte im Zeitraum vom 11. März bis 3. Mai über eine bundesweite Online-Befragung, an der sich 1.428 Vereine und 599 Betriebe beteiligt haben. Die Ergebnisse der Befragung sind repräsentativ und die verwendeten Zahlen und Daten wurden auf Basis dieser Beteiligungsquote auf die Grundgesamtheit der in der FN und den LV organisierten Vereinen und Betrieben hochgerechnet.