Tokio 2021 im Blick: Bundeskader-Lehrgang des Para-Dressursports in Frechen
Frechen (psvhannover-aktuell). „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so der Vorsitzende des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR), Dr. Jan Holger Holtschmit, beim Leistungslehrgang für potentielle Paralympics-Teilnehmende am vergangenen Wochenende. Traditionell trafen sich Deutschlands beste Para-Dressurreiter zum Jahresauftakt im Pferdesport- und Reittherapiezentrum der Gold-Kraemer-Stiftung in Frechen-Buschbell. Insgesamt acht Reiter waren der Einladung des DKThR gefolgt und nutzten die Chance, unter den Augen von Bundestrainer Bernhard Fliegl und Co-Bundestrainer Rolf Grebe ihren eigenen Leistungsstand und den ihrer Pferde zu testen, darunter auch Isabell Nowak aus Apelern (Landkreis Schaumburg).
Das Ziel: die Paralympics in Tokio. Wegen der Corona-Pandemie mussten sie 2020, wie alle anderen großen Sportereignisse, abgesagt werden. Der Nachholtermin steht zwar fest (24. August bis 5. September), jedoch kann niemand derzeit mit Sicherheit sagen, ob das Sportereignis überhaupt stattfinden wird. „Wir wissen, dass alle Planungen unter Vorbehalt passieren. Dennoch geht es darum, sich weiter bestmöglich fit zu halten“, unterstreicht Dr. Jan Holger Holtschmit die beginnende finale Vorbereitungsphase.
Die Trainer bescheinigten dem Kader einen sehr zufriedenstellenden Trainingsstand. Unter ihnen war erstmals der Neuro-Athletiktrainer Dirk Bolten. Sein besonderes Augenmerk galt der gezielten Analyse von natürlichen Bewegungsabläufen von Reiter:in und Pferd. Der Neurotrainer ging speziell auf die Bedürfnisse der Athleten ein, die mit ihren unterschiedlichen Einschränkungen und Möglichkeiten jeweils sehr individuelle Trainingsimpulse erhielten. „Erst wenn die Reiter genau wissen, was sie tun, sind sie in der Lage, das umzusetzen, was sie sich vornehmen. Daher geht es heute darum, sich über die eigenen Bewegungsabläufe bewusster zu werden“, so Bolten. In der Praxis war dieser neue Trainingsansatz konkret zu spüren.
Als Quereinsteigerin in den Para-Sport: Isabell Nowak
Das bestätigte auch Isabell Nowak aus Apelern in Niedersachsen. Die 38-Jährige zeigte auf ihrer Stute Fürstin HB, warum sie eine der vielversprechenden Nachwuchsathletinnen im Deutschen Kader ist. Als erfolgreiche Breitensportreiterin in der Dressur musste sie nach einem schweren Verkehrsunfall 2007 neu lernen, sich im Alltag und in ihrer Sportart zurechtzufinden. „Meinen ursprünglichen Beruf als Polizistin konnte ich nicht mehr ausüben. Mein rechter Oberkörper war gelähmt und meine Hüfte stark bewegungseingeschränkt“, sagt Isabell Nowak. Der Reitsport hat ihre geholfen, wieder Kraft zu finden. Ihr Weg in den Para-Dressursport war eher zufällt. Im Rahmen ihrer Rehabilitation nahm sie an der Bewegungsschule von Eckart Meyners teil, wo man ihr empfahl, ihr großes Talent im Pferdesport weiterzuentwickeln. „Ich habe gelernt, meine Defizite anzunehmen. In der Arbeit mit meinen Pferden kann ich diese sehr effektiv ausgleichen und kompensieren. Dass ich als Quereinsteigerin den Weg in den Para-Sport gefunden habe, fühlt sich für mich sehr gut an!“
Vielversprechend ist für Isabell Nowak auch ihr Pferd Fürstin HB, eine bekannte Hannoveraner Stute von Fürstenball. Als Dreijährige gewann sie bereits ihre Abteilung bei der Herwart-von-der-Decken Schau 2015 in Verden. Neben der Teilnahme beim deutschen Zuchtstutenchampionat in Aachen machte die Stute auch beim Hannoveraner Reitpferdechampionat in der Abteilung "3- und 4-jährige Stuten und Wallache" auf sich aufmerksam; damals noch im Besitz ihres Züchters Helmut Bäßmann aus der Wedemark.
Anerkennende Worte für Isabell Nowak kamen auch von Dr. Jan Holger Holtschmit: „Sie besitzt ein enormes Reitgefühl und entwickelt sich von Jahr zu Jahr großartig weiter. Ich kann mir vorstellen, dass sie auch Anschluss an die internationale Spitze finden wird.“
Für den Vorsitzenden des DKThR ist der traditionelle Lehrgangsauftakt auf der barrierefreien Reitanlage der Gold-Kraemer-Stiftung immer ein willkommener Anlass, sich intensiv auch zu Themen außerhalb des Leistungssports auszutauschen. „In Frechen ist mit dem Pferdesport- und Reittherapiezentrum ein wichtiger Standort nicht nur für unsere operative, sondern auch für unsere strategische Arbeit hinzukommen. Wir sind sehr froh, mit der Gold-Kraemer-Stiftung einen Partner gefunden zu haben, der auch die therapeutische und heilpädagogische Arbeit mit dem Pferd weiterentwickelt“, unterstreicht Dr. Holtschmit. Für die Stiftung erläutert der Geschäftsführer Dr. Volker Anneken: „Als offizieller Landesstützpunkt und anerkannte Einrichtung des DKThR bieten wir vielfältige therapeutische Möglichkeiten mit dem Pferd an und ermöglichen Menschen mit Beeinträchtigungen überdies die Teilnahme am inklusiven Reitsport und damit auch eine verbesserte soziale Teilhabe.“ DKThR