Neu erschienen: BMEL-Leitlinien Tierschutz im Pferdesport
Warendorf (fn-press). Mit einiger Verspätung ist sie fertig: die überarbeitete Broschüre „Tierschutz im Pferdesport – Leitlinien zu Umgang mit und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten“, herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Was die Leitlinien für Pferdesport und -zucht bedeuten, darüber sprach FN-aktuell mit Soenke Lauterbach, Generalsekretär der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).
FN-aktuell: Was beinhalten die Leitlinien und warum sind sie so wichtig für Pferdesportler und -züchter? Wie rechtsverbindlich sind sie?
Soenke Lauterbach: Neben den Leitlinien zur Pferdehaltung gibt das BMEL auch die Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport heraus oder genauer die Leitlinien zu Umgang mit und Nutzung von Pferden, wie sie jetzt heißen. Darin wird das Tierschutzgesetz für Pferdesport und Pferdezucht näher ausgelegt. Die Leitlinien sind kein Gesetz, sollen jedoch wie ein antizipiertes Sachverständigengutachten angewendet werden. Darunter versteht man ein Gutachten, das unabhängig von einem konkreten Einzelfall angefertigt wird. Die Leitlinien dienen als Orientierungshilfen und werden gerade von Justiz und Behörden, etwa von den Amtstierärzten, als solche herangezogen.
FN-aktuell: Wer war an der Erstellung der Leitlinien beteiligt?
Soenke Lauterbach: Die Federführung liegt beim BMEL, außerdem sitzen die verschiedenen Tiernutzerverbände mit am Tisch. Also nicht nur die FN, sondern auch Vertreter des Deutschen Galopp, des Hauptverbands für Traberzucht und der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland. Mit dabei sind außerdem Vertreter der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, des Deutschen Tierschutzbundes und die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer, Amtstierärzte und andere mehr. Die erste Fassung ist vor fast 28 Jahren erschienen. Im Zuge der jetzigen Überarbeitung fanden seit 2018 drei Treffen mit allen Beteiligten statt, der Rest erfolgte im schriftlichen Umlaufverfahren.
FN-aktuell: Welche Rolle spielt die FN innerhalb dieses Arbeitskreises?
Soenke Lauterbach: Als FN vereinen wir die größte Zahl an „Pferdenutzern“ hinter uns, also Pferdsportler und -züchter, deren Interessen wir vertreten. Daher haben wir eine wichtige Rolle in diesem Arbeitskreis und haben diese auch ernst genommen. In einer Expertenrunde aus Trainern, Aktiven, Züchtern und Tierärzten sowie dem Fachbereich Tierschutz der FN haben wir in mehreren Sitzungen einen Vorschlag erarbeitet, wie aus unserer Sicht die Leitlinien aussehen sollten. Diesen haben wir dem BMEL vorab zukommen lassen und in ganz vielen Punkten hat man sich auch an unserem Vorschlag orientiert. Aber natürlich haben auch andere ihre Vorschläge eingereicht, die unseren Vorstellungen widersprechen. Das bedeutet, dass man am Ende Kompromisse machen muss.
FN-aktuell: Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Soenke Lauterbach: Generell sind wir zufrieden. Uns freut vor allem das klare Bekenntnis dazu, dass Pferde als unsere Sportpartner genutzt werden dürfen. Es gibt ja Menschen, die das in Frage stellen. Erfreulich ist auch, dass die sportfachlichen Regeln in den Händen der Verbände bleiben: Wettkampfregeln, Ausrüstung, Doping- und Medikationsregeln. Es ist uns gelungen, deutlich zu machen, dass unsere Regelwerke, die in Zusammenarbeit mit externen, unabhängigen Fachleuten erstellt werden, gut genug sind und auch von uns immer wieder kritisch hinterfragt werden. Zum Beispiel wurde unsere LPO-Formulierung zur Verschnallung des Reithalfters übernommen und das Kapitel zum Thema Anti-Doping- und Medikation entspricht unserem bestehenden Regelwerk. Wir begrüßen es auch, dass es jetzt ein Glossar gibt, in dem zum Beispiel Begriffe wie Rollkur und Hyperflexion erklärt werden und klar darin steht, dass das tierschutzwidrige Methoden sind.
FN-aktuell: Gab es Themen, über die besonders intensiv diskutiert wurde?
Soenke Lauterbach: Das Thema Unterbringung von Pferden auf Veranstaltungen wurde ausführlich besprochen. Das ist ein sehr wichtiges Thema für einige Pferdesportler und -züchter und andere Menschen, die mit ihren Pferden an Messen oder ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen. Es wurde gefordert, dass freier Auslauf auch Pflicht sein muss, wenn das Pferd auf einer Veranstaltung untergebracht ist. Das ist aber in den meisten Fällen nicht möglich und zuweilen sogar gefährlich für das Pferd, weil nicht überall genug Platz ist und sichere Zäune vorhanden sind. Es wäre also unverhältnismäßig gewesen und hätte das Aus für viele Veranstaltungen bedeutet, wenn diese Forderung durchgekommen wäre. Wir haben gut argumentiert und die Möglichkeit für eine kurzzeitige Abweichung von den Leitlinien für Veranstaltungen erreicht. Das heißt aber nicht, dass die Pferde dort 24 Stunden in der Box stehen dürfen. Wir stehen total dahinter, dass Pferde täglich freien Auslauf bekommen. Auf einer Veranstaltung muss diese ersetzt werden durch zum Beispiel longieren, grasen oder spazieren gehen. Das ist dann neben dem Reiten Pflicht, damit das Pferd auch auf der Veranstaltung ausreichend Bewegung bekommt. Auch müssen die Boxen in den Stallzelten den Leitlinien entsprechen. Nur in dieser Kombination ist es vertretbar, wenn auf Veranstaltungen beim Thema freie Bewegung kurzzeitig von den Leitlinien abgewichen wird.
FN-aktuell: Was hätte aus Ihrer Sicht noch anders ausfallen sollen?
Soenke Lauterbach: Nicht ganz zufrieden sind wir damit, dass einerseits im Kapitel zum Thema Bewegungsverhalten von Pferden darauf verwiesen wird, dass an dieser Stelle der entsprechende Passus aus den BMEL-Leitlinien zur Pferdehaltung gilt, weiter hinten bei dem Thema Ausbildungsbeginn jedoch eine etwas von der Leitlinie zur Pferdehaltung abweichende Formulierung zur freien Bewegung gewählt wurde. Dabei geht es nur um einzelne Wörter, aber aus unserer Sicht ist es ein Problem, wenn zwei gültige und gleichrangige Leitlinien einen anderslautenden Wortlaut haben. Das führt zwangsläufig zu Auslegungsproblemen: Was gilt denn nun? Wir haben zu diesem Punkt daher auch ein Differenzprotokoll verfasst.
FN-aktuell: Warum hat die Überarbeitung der Leitlinien so lange gedauert?
Soenke Lauterbach: In den meisten Fragen herrschte weitgehend Konsens. Am schwierigsten war das Thema Ausbildungsbeginn, dafür wurden zwei Jahre gebraucht, um einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das betraf uns allerdings nicht wirklich, es war eher ein Thema der Rennsportverbände. Das zeigt aber auch, dass alle Interessen ernst genommen wurden und sich das BMEL bemüht hat, einen Konsens zu finden.
FN-aktuell: Wie lautet dieser Konsens?
Soenke Lauterbach: In den Leitlinien wird die Altersgrenze für den Beginn der Ausbildung zum vorgesehenen Nutzungszweck auf 30 Monate festgelegt. Damit können wir leben. Es bedeutet ja nicht, dass man zwangsläufig ein 30 Monate altes Pferd reiten muss. Es hängt immer davon ab, was das Pferd anbietet und was mit dem Pferd gemacht wird. Im Grunde kann man sagen: Wer sich an unsere Richtlinien für Reiten und Fahren hält, ist auf der sicheren Seite. Der Bereich Zucht der FN ist mit unseren Zuchtverbänden gerade dabei, vor dem Hintergrund der neuen Leitlinien das Kör-und Vorbereitungssystem hinsichtlich Vorbereitung, Vorauswahl, Dauer und Intensität zu überdenken. Das BMEL plant außerdem eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema. Eine Initiative, die wir sehr unterstützen.
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Die neue Auflage der BMEL-Broschüre „Tierschutz im Pferdesport – Leitlinien zu Umgang mit und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten“ steht hier direkt zum Download: