FN-Pressegespräch: Zweite Stellungnahme zum Beitrag im Magazin "DER SPIEGEL"
Warendorf (fn-press). Nach einem Bericht des Magazins „DER SPIEGEL“ über Exzesse im Nachwuchsbereich der deutschen Springreiter hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) in einem Pressegespräch am Samstag Stellung bezogen und sich den Fragen der Medienvertreter gestellt.
„Dass wir uns mit dem Thema sexualisierte Gewalt beschäftigen müssen, geht mir persönlich als Vater und auch all meinen Kolleginnen und Kollegen an die Nieren. Umso wichtiger ist es, dass wir Fälle, die es gibt, aufdecken und aufklären können“, hat FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach das Gespräch mit den Medien eingeleitet. „Ganz klar ist, dass wir jede Form von sexualisierter Gewalt auf das Schärfste verurteilen. Wir können aus vollem Herzen und mit Überzeugung sagen, dass wir sexuellen Übergriffen den Kampf angesagt haben - ebenso wie übermäßigem Konsum von Alkohol.“
Im Artikel des Magazins „DER SPIEGEL“ werden mutmaßliche Vorfälle von sexueller Belästigung oder Gewalt und übermäßigem Alkoholkonsum einer Gruppe junger Springreiter dargestellt. „Wir wissen nicht, ob es diese Vorfälle alle gegeben hat. Wir kennen nicht alle Fälle. In den Fällen, in denen wir konkrete Hinweise erhalten, agieren wir und greifen durch“, erklärt Lauterbach.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung als Verband kann rechtliche Verfahren nur dann führen, wenn eine belastbare Tatsachenlage vorliegt. FN-Justitiarin Constanze Winter sagt: „Wir werden und wir sind jedem Hinweis nachgegangen, der uns in irgendeiner substantiierten Art und Weise vorgetragen wurde.“
Während im Artikel mehrere mutmaßliche Fälle dargestellt werden, hat die FN in den letzten Jahren zwei Verfahren geführt, die mit Alkohol und Fehlverhalten in Zusammenhang stehen. In einem Fall steht mögliche sexualisierte Gewalt im Raum. FN-Justitiarin Constanze Winter erklärt: „Die beiden Verfahren, die wir geführt haben, haben rechtlich eine sehr unterschiedliche Qualität. Wir hatten zunächst mit einem Verfahren zu tun, in dem es um exzessiven Alkoholkonsum ging. Randale im Rahmen der Deutschen Jugendmeisterschaften, bei denen ein Reiter Gläser geworfen und Zeugen bespuckt hat. Das ist von der Disziplinarkommission festgestellt worden, das Verfahren ist mit einer Geldbuße belegt und 2016 abgeschlossen worden. Die Entscheidung hierzu ist rechtskräftig.“ Die Entscheidung wurde, wie alle dieser Art, im offiziellen Organ, dem FN Kalender, veröffentlicht.
Beim zweiten Verfahren steht ein Vorwurf aus dem Bereich sexualisierter Gewalt im Raum. Winter sagt: „Da das Verfahren noch andauert, können wir keine Details berichten. Was wir sagen können: Die Disziplinarkommission hat Ende Juli eine 18-monatige Wettkampfsperre ausgesprochen. Das heißt, der Reiter kann an keinem nationalen oder internationalen Turnier teilnehmen, sobald die Sperre in Kraft tritt. Es gibt bei uns als Verband eine Berufungsinstanz, wie bei einem Gerichtsverfahren. Deshalb dauert das Verfahren noch an.“ Abgesehen von der 18-monatigen Wettkampfsperre ist im Rahmen einer Sofortmaßnahme eine Kader-Suspendierung erfolgt. Das heißt, der betroffene Reiter wird bereits seit dem Vorfall im vergangenen Jahr nicht mehr für Mannschaften des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) berücksichtigt. Der Fall wurde zudem an die Staatsanwaltschaft übergeben.
Da die Wettkampfsperre aktuell noch nicht in Kraft getreten ist, darf der beschuldigte Nachwuchsreiter weiter an Turnieren teilnehmen. Der SPIEGEL berichtet, dass Bundestrainer Otto Becker den jungen Reiter weiter für internationale Turniere nominiert hat und sieht darin einen Widerspruch zur Linie des Verbandes. Dazu nimmt Soenke Lauterbach Stellung: „Diesen Widerspruch gibt es nicht. Die Unschuldsvermutung gilt auch für uns im Sportrecht. Das Verfahren lief, der Bundestrainer hat einen startberechtigten Reiter benannt, insofern war die Nominierung juristisch und auch sportfachlich richtig. Jetzt haben wir eine andere Situation, die Disziplinarkommission hat geurteilt. Bis zum rechtskräftigen Urteil wird der Bundestrainer den Reiter nicht mehr über sein Kontingent nominieren.“
Zusammenarbeit mit Zartbitter läuft weiter
Seit 2011 arbeitet die FN mit dem Verein Zartbitter zusammen. Ursula Enders von Zartbitter bezieht Stellung: „In der Reiterlichen Vereinigung gibt es Personen in leitenden Funktionen, die sich bereits 2011 in vorbildlicher Weise für den Schutz vor sexualisierter Gewalt engagiert haben. Leider hat dann die Weiterentwicklung des Schutzkonzeptes verbandsintern stagniert – wie in so vielen Organisationen und Verbänden. Allerdings hat sich die Reiterliche Vereinigung (FN) wieder auf den Weg gemacht und schult in Zukunft ihre Landesverbände zum Themenkomplex Prävention. Zudem ist Zartbitter mit der FN im Gespräch über ein Verfahren zur Aufdeckung von Fällen sexualisierter Gewalt durch exponierte Persönlichkeiten, das den Opferschutz in besonderer Weise sicherstellt – damit Betroffene nicht in der Öffentlichkeit geoutet werden.“
An diesen Gesprächen beteiligt ist vor allem Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der Abteilung Jugend bei der FN. Sie sagt: „Der Verband hat über die Zusammenarbeit mit Zartbitter hinaus kontinuierlich an weiteren Maßnahmen gearbeitet: Wir haben Lehrmaterial für Trainer und Handlungsleitfäden für unsere Landesverbände erstellt. Wir integrieren das Thema sexualisierte Gewalt in unsere Trainerfortbildungen, außerdem ist es Schulungsinhalt in den Landestrainerseminaren und der DOKR-Trainerakademie. Ab Herbst 2018 werden bei Kaderlehrgängen am Bundesleistungszentrum in Warendorf neue Module zur Thematik stattfinden.“
„Wir ermutigen Betroffene und Zeugen unbedingt, sich bei uns oder bei Zartbitter zu melden. Wenn es Fehlverhalten gibt, ist das keinesfalls akzeptabel und wir wollen und werden dem ein Ende setzen, soweit das mit unseren Mitteln möglich ist“, sagt Generalsekretär Soenke Lauterbach.
Die Kontaktdaten des Vereins Zartbitter und weitere Informationen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sind auf der FN-Homepage unter www.pferd-aktuell.de/schutz-vor-sexualisierter-gewalt zu finden.